Texte von der Stange: Warum das System hinter den Worten zählt

"KI macht Schreiben schneller, aber alles klingt gleich." So oder so ähnlich habe ich das letztens auf LinkedIn gelesen. Ich verstehe, worauf sie/er hinaus wollte. Aber mich interessiert die Ursache. Also los geht's auf Entdeckungsreise.

Texte von der Stange: Warum das System hinter den Worten zählt

Wer heute durchs Netz scrollt, findet überall den gleichen Sound. Headlines nach Schema F, Hooks wie aus der Fabrik. Und fast immer dieselbe Klage:

"KI macht alles beliebig, Content wird austauschbar, das Herz fehlt."

Stimmt das? Oder schauen wir eigentlich auf das falsche Problem?

Baukasten ist ein Symptom. Nicht die Ursache.

Standardtexte gab’s schon, bevor ChatGPT in unsere Browser zog. Sie sind kein Zufall, sondern Ergebnis eines Systems, das vor allem eins will: Effizienz.

Das kommt nicht nur mir, als langjähriger Social Media und Marketing Manager, bekannt vor.

Texte werden zu Content-Bausteinen, weil Strukturen fehlen, die Haltung zulassen.

Das ist nicht die Schuld von KI!

Das ist das Resultat aus Prozessen, die Output über Substanz stellen. Und von der Hoffnung, dass ein paar neue Hacks echte Wirkung ersetzen können.

System vor Stil: Was Kommunikation wirklich braucht

Die große Frage ist nicht: „Wie schreibt man mit mehr Herz oder Emotion?“ Die eigentliche Frage lautet: „Was verhindert eigentlich Echtheit in Unternehmenstexten?“ Und vor allem in Richtung Zukunft gedacht: Wie können wir dafür sorgen, dass wir zukünftig (auch mit KI als Co-Creator) glaubwürdiger kommunizieren?

Oft fehlt einfach die Zeit, um diese Tiefe zuzulassen.

Noch häufiger fehlt der Mut, wirklich zu zeigen, wofür man steht. Als Person oder Organisation.

Hier kommt Systemdenken ins Spiel.

Es geht nicht um Perfektion, sondern um Strukturen, die Echtheit ermöglichen: Klare Werte, die nicht auf PowerPoint stehen, sondern im Alltag erlebbar sind.

Abläufe, die Platz für Reflexion lassen. Nicht nur für Effizienz.

KI als Verstärker, nicht als Gegner

KI kann Text wie am Fließband liefern. Keine Frage. Aber sie kann auch Strukturen sichtbar machen:

  • Welche Fragen fehlen im Briefing?
  • Wo wird Sinn entkernt, weil alle nur Vorlagen füttern?
  • An welchen Stellen wird Haltung gestrichen, weil es nicht den Guidelines entspricht?

Richtig eingesetzt, hilft KI dabei, Muster zu erkennen und Freiräume zu schaffen.
Nicht, weil sie menschlicher ist als wir, sondern weil sie Routine abnimmt. Damit uns mehr Raum bleibt, um mehr Tiefe in unsere Texte einzumassieren.

Wirkung braucht Haltung, nicht Baukasten

Der stärkste Text entsteht dort, wo System und Persönlichkeit zusammenfinden.

Wenn klar ist, warum, für wen und mit welchem Ziel geschrieben wird. Das lässt sich nicht in ein Template pressen, aber in Strukturen denken.

Darum glaube ich:

Nicht der Baukasten ist das Problem, sondern das Fehlen von Systemen, die Eigenständigkeit und Entwicklung fördern.

Texte werden nicht besser, weil wir mehr „Herz“ fordern. Sondern weil wir Räume schaffen, in denen Haltung in unserem Content überhaupt sichtbar werden kann.

Systemfragen statt Schreibrezepte

Was wäre, wenn wir weniger über böse Tools und mehr über Strukturen sprechen?

Wenn wir KI als Partner für Klarheit begreifen, nicht als Feind von Authentizität?Was könnte entstehen, wenn Organisationen Texte als Spiegel ihrer Haltung verstehen, nicht als Füllmaterial für eng getaktete Content-Pläne?

Vielleicht wäre das der Moment, in dem auch im Baukasten wieder ein Herz zu schlagen beginnt.


Mein Plädoyer fürs bewusste Schreiben

Vielleicht müssen wir nicht weniger KI nutzen, sondern achtsamer, gezielter und systematischer.

Meine Tipps bis jetzt:

  • Nutze KI als Sparringspartner, nicht als Ghostwriter.
  • Schreibe Rohfassungen selbst und nutze KI als Co-Creation Partner, um nachzuschärfen.
  • Nimm dir Zeit für die Frage: Was will ich wirklich sagen?
  • Erkenne den Unterschied zwischen einem gut geschriebenen Text (Vorsicht: subjektiv) und einem, der etwas in dir auslöst. Einer, der dir beim Lesen ein Gefühl vermittelt.

Und ich bin neugierig: Wie sorgst du dafür, dass dein Content trotzdem deiner bleibt, auch wenn eine KI in diesem Prozess beteiligt ist?